Ölkartell Opec+ für drastische Förderkürzung
Der Bedarf an Rohöl wird laut der Opec im zweiten Quartal 2020 um rund zwölf Millionen Barrel sinken. Zugleich ist der Ölpreis bereits im Keller. Das Ölkartell und seine Partner sehen sich zu einem radikalen Schritt durchgerungen. Zumindest fast.

Richard Vogel
Von Fabian Nitschmann, dpa
Das Ölkartell Opec und seine Kooperationspartner wollen angesichts
der Corona-Krise in den kommenden zwei Jahren deutlich weniger Öl aus
dem Boden pumpen als zuletzt.
Die Opec+ genannte Runde mit den Schwergewichten Saudi-Arabien
und Russland hat am Freitag nach stundenlangen Verhandlungen eine
Produktionskürzung um 10 Millionen Barrel (je 159 Liter) pro Tag für Mai
und Juni angekündigt – das entspricht rund zehn Prozent der weltweiten
täglichen Rohölproduktion. Allerdings fehlt der Staatengruppe noch die
Zustimmung ihres Mitglieds Mexiko, die als Bedingung für den Deal
genannt wird.
Von Juli bis Dezember soll die Produktion laut der Mitteilung
dann um täglich acht Millionen Barrel Öl gesenkt werden, zwischen Januar
2021 und April 2022 dann noch um sechs Millionen Barrel. Als
Ausgangsniveau wurde jeweils die Produktionsmenge im Oktober 2018
festgelegt, für Saudi-Arabien und Russland gilt ein eigenes
Ausgangsniveau von 11 Millionen Barrel pro Tag. Ob die Entscheidung den
Ölpreis und damit auch die Preise an den Tankstellen wieder in die Höhe
treibt, ist gerade deswegen unklar.
Eine schnelle Kürzung um zehn Millionen Barrel Öl pro Tag und
mehr schien zuletzt aber unumgänglich, da die Corona-Krise und ein
Preiskampf zwischen Saudi-Arabien und Russland den Ölpreis haben
abstürzen lassen. Die Opec+ erwartet nun von anderen großen Öl-Nationen
wie den USA, dass auch sie künftig deutlich weniger Öl aus dem Boden
holen als bisher.
Der Preis für ein Barrel der Nordseesorte Brent lag am 19.
Februar noch bei fast 60 US-Dollar – am 1. April kostete das Fass dann
bloß noch rund 25 Dollar. Am Donnerstag kletterte der Brent-Preis
zeitweise wieder auf rund 33 Dollar, ließ während des Opec-Meetings aber
wieder nach. Der Zehn-Millionen-Barrel-Deal, über den während der
Sitzung schon zahlreiche Spekulationen und Gerüchte kursierten, schien
dem Markt jedenfalls in einer ersten Reaktion nicht auszureichen.
Vor allem die Frage nach den Ausgangsniveaus ist heikel: Im
Oktober 2018 produzierte die Opec+ mehr Öl als zuletzt. Bis Ende März
hatte sich die Gruppe ein Förderlimit gesetzt: 2,1 Millionen Barrel
weniger – als im Oktober 2018. Saudi-Arabien produzierte damals rund
10,6 Millionen Barrel Rohöl täglich, im Februar 2020 waren es noch 9,6
Millionen Barrel. Nun darf das Königreich seine Kürzung aber von 11
Millionen Barrel aus berechnen. Der Teufel steckt hier im Detail, aber
für den Markt ist die Ankündigung daher wohl nicht das wert, was sie auf
den ersten Blick verspricht.
Opec-Generalsekretär Mohammed Barkindo erklärte in seiner
Eröffnungsrede am Donnerstag, dass die Organisation für das Jahr 2020
von einem Nachfrage-Rückgang beim Rohöl um 6,8 Millionen Barrel pro Tag
ausgehe. Im zweiten Quartal dürfte der Rückgang laut Barkindo sogar rund
zwölf Millionen Barrel täglich betragen. «Das sind atemberaubende
Zahlen. Beispiellos in der Neuzeit», so Barkindo.
Beim Opec+-Treffen Anfang März hatten sich Saudi-Arabien und
Russland noch zerstritten und konnten sich nicht auf eine gemeinsame
Strategie einigen. Seit Jahren versucht die Opec+, mit Förderlimits den
Ölpreis zu stabilisieren – durch das Fehlen eines neuen Deals liefen
diese Beschränkungen aber Ende März aus. Der sich deutlich abzeichnenden
Corona-Krise zum Trotz fuhren die Streithähne ihre Produktion hoch –
und trieben den Ölpreis rasant in den Keller.
Um mit Produktionskürzungen angesichts der globalen Virus-Krise
nun den Preis wieder heben zu können, hoffen die 23 Opec+-Staaten auf
die Hilfe anderer Staaten – schließlich will das Kartell die Last nicht
alleine tragen. Kanada und Norwegen deuteten zuletzt schon Interesse an
einer gemeinsamen Strategie an, die Skandinavier nahmen auch an den
stundenlangen Opec+-Beratungen teil. Auch die Organisation der
afrikanischen Öl-Staaten (APPO) stellte sich am Donnerstag demonstrativ
hinter die Opec+.
Am Freitag soll nun eine Telefonkonferenz der G20-Energieminister
stattfinden, auf der die Zukunft des Ölmarkts ebenfalls eine Rolle
spielen dürfte. Entscheidend ist dabei wohl die Reaktion der USA.
US-Präsident Donald Trump hatte sich zuletzt mit Blick auf eine
Drosselung der Rohölproduktion in seinem Land sehr zurückhaltend
gezeigt. Am Donnerstag (Ortszeit) sagte er, dass er mit dem russischen
Präsidenten Wladimir Putin und dem saudischen König Salman ein «sehr
gutes Gespräch» geführt habe, bei dem auch die Opec+-Beratungen
thematisiert wurden. Der Ball liegt nun bei ihm, Trump.
Eine Kürzung der Rohölproduktion um zehn Millionen Barrel am Tag entspräche etwa zehn Prozent der gesamten, weltweiten Produktion vor der Corona-Krise. Der Anteil der 13 Opec-Staaten am globalen Ölmarkt betrug zuletzt etwas weniger als 30 Prozent, gemeinsam mit den zehn Kooperationspartnern («Opec+») sind es rund 45 Prozent.
Foto: Richard Vogel/AP/dpa