Kartenzahlungen verdrängen Bares wegen Corona schneller
An der Ladenkasse lieber mit Karte zahlen als mit Bargeld? Manchen Verbrauchern scheint das in Corona-Zeiten sicherer. Das ist zwar gar nicht belegt. Doch Scheine und Münzen könnten nun im Handel schneller schwinden, glauben Berater.

Karl-Josef Hildenbrand
Frankfurt/Main (dpa)
Mit der Corona-Pandemie dürfte sich die Nutzung von kontaktlosen
Bezahlverfahren, Giro- und Kreditkarten sowie mobilem Zahlen per
Smartphone beschleunigen, glauben Zahlungsexperten der Beratungsfirma
Oliver Wyman.
Der Anteil von Barzahlungen nach Umsatz könnte bis 2025 auf 32
Prozent sinken, schreiben sie in einer am Sonntag veröffentlichten
Studie. Zum Vergleich: Für das vergangene Jahr schätzen sie den
Bargeld-Anteil auf 47 Prozent. Berücksichtigt wurden Käufe in Geschäften
sowie im Online-Handel, die dort mit Karte oder etwa Paypal bezahlt
wurden.
«Eine Entwicklung, die mehrere Jahre dauern sollte, wird durch
die Corona-Pandemie nun auf wenige Monate kondensiert», sagte Gökhan
Öztürk, Partner bei Oliver Wyman. Wegen der Corona-Pandemie bieten
Handelsketten, Restaurants und Geschäfte verstärkt Kartenzahlungen
anstelle von Bargeld an, um Kontakt mit Beschäftigten an den Kassen und
potenzielle Übertragungen zu vermeiden.
Die Hygienemaßnahmen führten zu einer Entwöhnung von
Barzahlungen, meinen die Berater. Sollte die Beschleunigung nach der
Pandemie anhalten und viele Kunden ihr Bezahlverhalten beibehalten, sei
auch eine Quote von nur 20 Prozent der Cash-Zahlungen nach Umsatz bis
2025 durchaus möglich. Auch vor der Corona-Krise hatten die Berater
einen Rückgang von Barzahlungen vorhergesagt – aber nur auf 37 Prozent.
Grundsätzlich gibt es in Deutschland seit Jahren einen Trend zu
weniger Zahlungen mit Scheinen und Münzen. 2018 gaben Verbraucher im
stationären Einzelhandel laut dem Handelsforschungsinstitut EHI erstmals
mehr Geld per Giro- und Kreditkarte aus als in bar. Drei Viertel aller
Einkäufe im Handel werden demnach aber weiter bar beglichen – vor allem
bei kleinen Summen. Oliver Wyman erwartet nun, dass auch bei den
Transaktionen der Bargeldanteil sinkt. 2025 könnte nur noch bei jeder
zweiten Zahlung Cash zum Einsatz kommen.
Für eine schnellere Ausbreitung von Kartenzahlungen sehen die
Berater mehrere Gründe: Eine steigende Akzeptanz digitaler Verfahren bei
Händlern und Kunden sowie die Einführung von Apple Pay in Deutschland.
«Das Schwierigste bei der Einführung einer neuen Zahlungsoption war und
ist immer, die Konsumenten dazu zu bringen, es auszuprobieren», sagte
Oliver-Wyman-Partnerin Martina Weimert. «Wer aber erste Erfahrungen
gemacht hat und feststellt, dass alles problemlos funktioniert, der
nutzt diese Zahlungsoption auch weiter.»
Die meisten Verbraucher zahlen seit Beginn der Corona-Krise ihre
Einkäufe indes noch wie gewohnt, wie jüngst Umfragen der Bundesbank
zeigten. Erst 25 Prozent von rund 1000 Befragten hatten zuletzt ihr
Zahlverhalten geändert. «Unmittelbare Auswirkungen auf das
mittelfristige Bezahlverhalten können wir aus der momentanen Situation
nicht erkennen», so Bundesbank-Vorstand Johannes Beermann.
Fast alle, die ihr Zahlungsverhalten geändert haben, begleichen
aber Einkäufe laut der Umfrage seltener bar (90 Prozent) – aus
Hygiene-Gedanken, zum Infektionsschutz und zur Kontaktvermeidung.
Beermann betonte, es gebe keine Erkenntnisse, dass Verbraucher bei
Bargeld einem höheren Corona-Ansteckungsrisiko ausgesetzt seien.
Auch die Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste (BDGW)
wehrt sich. «Die Anbieter unbarer Zahlungsmittel locken Händler mit
Flatrates und verbesserten Zahlungsmodalitäten. Das Infektionsrisiko ist
vorgeschoben, um auf bargeldlosen Zahlungsverkehr umzusteigen», sagte
jüngst BDGW-Hauptgeschäftsführer Harald Olschok. Bei Kunden und dem
Verkaufspersonal würden Ängste geschürt. «Wer im Supermarkt einkauft und
seine Karte aus dem Geldbeutel holt, ist nicht weniger gefährdet, als
derjenige, der bar zahlt», so der Verband.
Kürzlich hatten Kreditkartenanbieter wie Mastercard das Limit für das kontaktlose Bezahlen heraufgesetzt. Dabei müssen Kunden Kreditkarten oder Girocards nicht in ein Gerät schieben, sondern nur an ein Terminal halten. Die Daten werden dann verschlüsselt ausgetauscht. Bei geringen Beträgen ist keine PIN-Eingabe nötig. Um kontaktloses Zahlen als «hygienische Bezahlmethode» zu unterstützen, hat auch die Deutsche Kreditwirtschaft das Limit für Kartenzahlungen ohne PIN-Eingabe im Handel von 25 auf 50 Euro verdoppelt.
Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa