Heute vor einem Jahr: Weil (SPD) wirft Altmaier Schneckentempo bei Energiewende vor
Deutschland will die Energiewende. Doch wichtige Weichenstellungen stehen noch aus. Niedersachsens Ministerpräsident sieht einen besonders in der Verantwortung.

Julian Stratenschulte
Berlin (dpa)
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat dem
Bundeswirtschaftsministerium von Ressortchef Peter Altmaier (CDU)
mangelndes Engagement bei der Energiewende vorgeworfen. «Ich bin sehr
unzufrieden mit der Entwicklung bei den erneuerbaren Energien», sagte
Weil.
Deutschland lasse derzeit auch industriepolitische Chancen
liegen. «Beim Thema Wasserstoff zum Beispiel geht wesentlich mehr, das
geht mir schlichtweg zu langsam voran», sagte Weil. Die Bundesregierung
ringt seit Monaten um die geplante Wasserstoffstrategie.
«Das Mindeste, was jetzt sehr schnell geschehen muss, sind
wettbewerbsfähige Bedingungen», forderte Weil. «In Deutschland haben wir
beim Wasserstoff eine doppelte Belastung mit der EEG-Umlage»,
kritisierte er. «Unter diesen Bedingungen kann Wasserstoff nicht
wettbewerbsfähig werden, also muss die Bundesregierung das zügig
ändern», forderte der SPD-Politiker. «Ich habe keine triftige Erklärung
dafür, warum das Wirtschaftsministerium nur im Schneckentempo
vorangeht.» Wasserstoff ist ein flexibler Energieträger – er kann etwa
als Treibstoff für Autos oder in der Industrie eingesetzt werden.
Aber auch die SPD müsse in dieser Hinsicht noch deutlicher
werden. «Mir ist im letzten Jahr viel zu viel über den CO2-Preis
diskutiert worden», sagte Weil. «Das Fundament vom Klimaschutz sind
erneuerbare Energien», betonte Weil. «Mir fehlt derzeit ein klarer Plan
der Bundesregierung, wie genau sie eigentlich die Erneuerbaren in den
nächsten 10 Jahren ausbauen will.»
Von der Ministerpräsidentenkonferenz am kommenden Mittwoch unter
anderem zur Energiewende forderte Weil einen klaren Fahrplan: «Zu
welchem Zeitpunkt soll wie viel erneuerbare Energie auf welcher
Grundlage vorhanden sein?» Nötig sei ein möglichst umfangreicher Katalog
von Rahmenbedingungen, unter denen eine solche Entwicklung begünstigt
wird. «Es geht dabei schlichtweg um die Glaubwürdigkeit der Politik,
denn andernfalls können die Klimaschutzziele nicht erreicht werden.»
SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch forderte die Union zu einer
schnellen Einigung bei Verhandlungen über den Ausbau der erneuerbaren
Energien auf. Miersch sagte der dpa: «Die Blockade von Teilen der Union
wird zu einer Gefahr für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Denn
Unternehmen werden zukünftig dort produzieren, wo ausreichend und
kostengünstig erneuerbare Energien zur Verfügung stehen.»
Die schwarz-rote Koalition ringt derzeit um ein Paket zum Ausbau
der erneuerbaren Energien – vor allem der Ausbau der Windkraft an Land
ist ins Stocken geraten. Hauptstreitpunkt bei den Verhandlungen sind
bundesweit einheitliche Regelungen für den Mindestabstand von Windrädern
zu Wohnhäusern. In Koalitionskreisen war am Donnerstag von «sehr
schwierigen» Verhandlungen die Rede. Die Union pocht auf einen
verbindlichen Mindestabstand von 1000 Metern, die Ländern sollen dann in
einer Öffnungsklausel nach oben oder unten abweichen können. In den
kommenden Tagen solle versucht werden, den «gordischen Knoten» zu
durchschlagen, hieß es.
Die Zeit drängt, denn in der kommenden Woche wollen sich die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Länder auf ein umfassendes Energiepaket verständigen. Dabei geht es darum, den ins Stocken geratenen Ausbau wieder zu beschleunigen. Ansonsten sind Klimaziele in Gefahr. Zum Paket gehört auch die Frage, wie Genehmigungsverfahren für neue Windräder verkürzt werden können. Außerdem soll es eine finanzielle Beteiligung für Kommunen geben, in denen Windkraftanlagen stehen. Ziel ist es, die Akzeptanz vor Ort zu stärken. Zudem geht es bei dem Paket darum, einen Förderstopp für neue Solarstromanlagen aufzuheben sowie darum, wie die hohen Strompreise gesenkt werden können.
Titelbild: «Beim Thema Wasserstoff zum Beispiel geht wesentlich mehr, das geht mir schlichtweg zu langsam voran», sagt Weil. Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Erstmals auf fimico.de erschienen am 06.03.2020